Kontakt Facebook Instagram Übersicht Suche Sponsor VIRTEUM Suche Menü weiter nach unten Schließen Kontakt Start Übersicht Suche Sponsor Pfeil Vollbild
Digitale Plattform für Geschichte(n) der Region an der Lippe zwischen Münsterland und Ruhrgebiet

Testament Ottos von Cappenberg

Wir sehen ein altes, in die Jahre gekommenes Dokument. Schrift und Sprache wirken unvertraut und nur schwer zu entziffern. Dennoch fallen einzelne Großbuchstaben auf, die uns durchaus bekannt vorkommen. Unten links ist in ein Siegel angebracht, auf dem eine menschliche Gestalt zu erkennen ist. Was könnte uns dieses geheimnisvolle Schriftstück verraten?

Das Testament in 3D

Es handelt sich um das sogenannte Testament Ottos von Cappenberg aus den 1160er Jahren, ein Dokument auf lateinischer Sprache mit immenser Bedeutung: Zum einen wird darin ein mysteriöser Kopf aus Silber erwähnt, der die Wissenschaft vor schwierige Fragen stellt – Handelt es sich dabei vielleicht um unseren Cappenberger Kopf? Zum anderen verkörpert es die Bildung einer neuen Identität für die Stiftgemeinschaft Ottos: Nicht nur übergibt Otto seinem Konvent einige Gegenstände und veranlasst Festmähler, sondern tut dies im Namen des Apostels Johannes. Durch die Verbindung der Zugeständnisse mit dem Heiligen wird Weltliches und Geistliches miteinander verbunden und die Einheit der Gemeinschaft wird gestärkt. Johannes, der neue Patron der Cappenberger Kirche, tritt hier als ein wichtiges Bindeglied der Gemeinschaft auf. Der Apostel Johannes ist als Lieblingsjünger Jesu bekannt, er steht Maria nach dem Tod Jesu bei.

Eigentlich kein Testament?

Auch wenn das Dokument oft als “Testament” bezeichnet wird, handelt es sich streng genommen lediglich um eine sogenannte „Verfügung“. In dieser lassen sich nämlich keine Hinweise dafür finden, dass die genannten Bestimmungen erst nach dem Tode Ottos gelten sollten. Otto weist lediglich seine Adressaten, die künftigen Pröpste des Stifts Cappenberg, darauf hin, dass die genannten Dinge in Zukunft gelten sollen.

Wo befindet sich das Dokument heute?

Das Dokument befindet sich heute im Archiv des Grafen von Kanitz im Schloss Cappenberg. Dieses spannende Stück Archivgut selbst in den Händen zu halten, ist somit leider nicht so einfach. Wir bringen es Ihnen aber dennoch ganz nah: Mit unserer 3D-Anwendung können Sie das Schriftstück ganz genau untersuchen. Probieren Sie es aus und erfahren Sie mehr über dieses spannende Zeugnis.

Die Übersetzung der Urkunde lautet:

Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Ich, Otto, von Gottes Gnaden mit meinem Bruder Gottfried seligen Andenkens demütiger Gründer der Capenberger Kirche, später aber durch die gleiche Gnade desselben Ortes dritter Propst, an alle meine künftigen Nachfolger:

Weil nach der Gewohnheit und Ergebenheit einiger nicht abgeschmackter Denkender, die sich besonders Patrone aus der Zahl der Heiligen wählen, auch ich den heiligsten und durch die Liebe Christi bevorzugten geliebten Apostel Johannes mir mit größter Ergebenheit zum Patron gewählt habe, dulde ich nicht, dass diese Ergebenheit der Bestätigung durch Werke ermangele, denn wie es heißt, ist die Bewährung der Liebe die Darbringung von Werken.

Daher war ich bestrebt, nach Kräften Einiges zusammenzutragen, wovon an beiden Festen dieses seligen Johannes unseren in Gott geliebten Brüdern eine feierlichere Mahlzeit bereitet werden könnte. Das führe ich im Folgenden namentlich auf, damit es nicht durch Nachlässigkeit der Vergessenheit anheimgegeben werden oder durch Betrug irgendwie unterschlagen werden kann:

In Wethmar 16 Schillinge für das ewige Licht dieser Kirche; aus der Pflanzung bei Ingelheim ein Fuder Wein, das die Weseler erhalten; in Remagen die Hälfte des Weins von einem Weinberg, der Chundemen genannt wird; ferner in Remagen eine Mark, die der Kellner von Cappenberg austeilen wird; in Wessum vier münsterische Schillinge von dem Kotten, den der Schmied besitzt; in Hagen vier münsterische Schillinge; in Ripenhorst zwei Schillinge der gleichen Münze; in Erthburg neun dortmunder Schillinge; aus unserem Haus in Hilbeck vier Scheffel Nussschalen zum Anzünden de Lampen an beiden Festen des hl Johannes; aus Budenrothe fünf weseler Schillinge und 3 Malter Roggen für die Schwestern in Wesel am Fest der Oktav des hl. Johannes nach Weihnachten.

Vom Folgenden aber will ich, dass es nicht nur der Kenntnis meiner Nachfolger, sondern auch der des ganzen Konvents eingeprägt sei: dass ich nämlich – so wie ich das Obenstehende den Mahlzeiten der genannten Brüdern und Schwestern zukommen ließ, so auch ein goldenes Kreuz, das ich [Kreuz] des hl. Johannes zu nennen pflegte, mit Gemmen und goldenen Kettchen, sowie das silberne Haupt, das nach dem Bild des Kaisers geformt ist, mit seiner ebenfalls silbernen Schüssel, wie auch den Kelch, den mir der Bischof von Trroyes schickte –, dass ich dies ausdrücklich zum ewigen Schmuck der genannten Kirche in aller Ergebenheit unverbrüchlich geschenkt habe.

Dies alles also, so wie es hier aufgeschrieben ist, vertraue ich nicht nur meinen Nachfolgern, sondern auch dem ganzen Konvent zu bewahren und zu erfüllen an mit jenem Vertrauen, mit dem Christus seine heiligste Mutter und ewige Jungfrau seinem lieben Johannes am Kreuz hängend anvertraute. Und weil diese Anempfehlung zwar einem frommen Herzen lieb ist, ein hartes und vermessenes Herz jedoch nicht genügend schreckt oder zwingt, binden wir den Verletzer dieser Urkunde mit ewigem Bann, bis er sich bekehrend alles, was er minderte oder entzog, vollständig wiederhergestellt und erneuert hat. Dem Bewahrer sei Frieden

Übersetzung: Dr. Gerlinde Niemeyer (gedruckt in: Appuhn, Beobachtungen, S. 186), oder: www.der-Pate-des-Kaisers.de

Quellen

Der Pate des Kaisers: https://der-pate-des-kaisers.de/otto-von-cappenberg-der-pate-des-kaisers/vor-900-jahren-1122/grafschaft-und-stift/ausstattung-des-klosters/testament/

Internet-Portal „Westfälische Geschichte“: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/urkunden_datenbank/suche/regest_detail.php?dwudanpassen=&regest=117424&url_zaehler_blaettern=29

Gerwing, Manfred, Cappenberg unter Tage: zur Bedeutung Cappenbergs im Mittelalter, Köln: Grote, 1990.

Keupp, Jan, Das sogenannte Testament Ottos von Cappenberg. Ein Knotenpunkt im Ordnungsgefüge des 12. Jahrhunderts, in: Kurt Görich (Hrsg.), Cappenberg 1122-2022: der Kopf, das Kloster und seine Stifter, Regensburg: Schnell & Steiner 2022, 177–95.

Niemeyer, Gerlinde, in: Horst Appuhn, Beobachtungen und Versuche zum Bildnis Kaiser Friedrich I. Barbarossa in Cappenberg. In: Aachener Kunstblätter 44 (1973), S. 129-192

Rehm, Ulrich, Kein Barbarossakopf. Das Cappenberger Johannes-Reliquiar, in: Kurt Görich (Hrsg.), Cappenberg 1122-2022: der Kopf, das Kloster und seine Stifter, Regensburg: Schnell & Steiner 2022, 365–79.