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Die Region an der Lippe zwischen Ruhrgebiet und Münsterland

Um den Ausbau der Lippe als Schifffahrtsstrasse planen zu können, ließ Friedrich I. von Preußen eine detaillierte Karte anfertigen. Es existieren verschiedene Fassungen des 1707 datierten Werks von der Hand des Geometers Johann Bucker (auch Bücker; nachgewiesen 1696-1723). Sie sind jeweils aus mehreren Blättern zusammengesetzt, aufwändig koloriert und umfangreich beschriftet. Die hier präsentierte „Delineatio des Lippestrooms“ ist 18,5 cm hoch und 131,6 cm lang; das Original wird im Landesarchiv Münster - Abteilung Westfalen aufbewahrt (Karten A, Signatur Nr. 1343).

Der kartographierte Abschnitt umfasst den „cursum der lippen“ von Hamm bis Wesel. Er wurde von dem Zeichner bei einer Bootsfahrt selbst „in augenschein genohmen“ und zeigt neben dem recht präzis dargestellten damaligen Flusslauf auch alle anliegenden „Adliche Häuser, Stätten und Dorferen, gleichfals alle darauff vorhandene Kribben (Buhnen) oder Schlachten (Mühlenwehre, Anleger), Wasßermühlen und sonsten was vorgefallen (…).“ Ferner sind sektorenweise genaue Nutzungs- und Fischereirechte eingetragen. Die Ansichten der Städte, Adelssitze und Klöster sind schematisiert, geben aber neben ihrer topographischen Lage direkt oder nahe am Fluss einen Eindruck von ihrer Größe, räumlichen Gliederung und Bedeutung wieder.

In diesem wortwörtlich großartigen Kartenwerk wird die Lippe mit den alten wie den neu hinzugefügten Kommentaren selbst zu einem historischen Sinnbild des VIRTEUM: Sie ist das blaue Band, das die Natur, Geschichte und Kultur, vor allem aber auch die Mentalitäten und sozialen Erfahrungen in der Region trennt und zugleich zusammenhält. Seit alters her schafft der Fluss in vielfältiger Weise die Verbindung unter den anliegenden Orten von Hamm über Werne, Lünen, Waltrop, Datteln, Olfen, Haltern und Dorsten bis zur Mündung in den Rhein bei Wesel.

Lit.: Börste, Josef: Von Schlachten, Klippen und anderen Hindernissen – Die historische Lippekarte (1707), in: Jahrbuch Kreis Unna, Nr. 27, 2006, S. 24-36.

Gefahrenquelle Lippe

Flüsse wie die Lippe dienten als Grenzschutz, sie konnten aber auch selbst zur Gefahr werden. 

Die ältesten Überlieferungen für Hochwasser an der Lippe stammen aus dem 14. Jahrhundert und die Vermutung liegt nahe, dass es auch in den Jahrhunderten zuvor zu Überschwemmungen gekommen war.

Warum die Pauluskirche in Hamm im Boden versinkt

Hochwasser war dort besonders gefährlich, wo zwei Flüsse zusammenliefen. Die Stadt Hamm liegt zwischen Lippe und Ahse vor Feinden gut geschützt, ist dem Wasser aber umso mehr ausgesetzt. Deshalb griff der Landesherr im 14. Jahrhundert zu rigorosen Maßnahmen: Er ließ die gesamte Stadt anheben. Die Bewohner mussten mitziehen, ob sie wollten oder nicht: Fachwerkhäuser mussten von innen abgestützt werden, in Steinhäusern wurde das Erdgeschoss zum Keller. Die Gärten wurden mit dem aufgeschüttet, was greifbar war.

Heute erkennt man den Höhenunterschied noch in den beiden alten Kirchen (Pauluskirche und Agneskirche): Wenn man diese Kirchen betritt, geht es abwärts, denn der Kirchenboden liegt tiefer als das Außengelände.

Manch ein Problem war auch hausgemacht: Die Eingriffe in die Flussläufe, um sie zu begradigen, umzuleiten oder für einen bestimmten Zweck zu formen, führte mitunter dazu, dass das Risiko einer Überschwemmung zunahm. 

Immer wieder traten die Lippe und ihre Nebenflüsse über die Ufer. Nicht nur 1909 stand die Ortsmitte unter Wasser, schon für das Jahr 1463 berichtet J. Kerkhörde, Chronist in Dortmund: “[...] de Lippe genk to Lunen in de Kerk.”.Foto: Stadtarchiv Lünen / unbekannt

Quellen, Literatur und weiterführende Links

Kistner, Hans-Jürgen: Die Seseke und die Stadt Kamen, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde (Begleitband zur Ausstellung Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde), Bönen 2010, S. 86-94.

Lehnemann, Wingolf: Der Lüner Chronist Georg Spormecker und die Lippe, in:  Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde (Begleitband zur Ausstellung Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde), Bönen 2010, S. 101-209.

Wiesendahl, Günter: Flüsse als Bedrohung- mittelalterlicher Hochwasserschutz in der Stadt Hamm, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde (Begleitband zur Ausstellung Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde), Bönen 2010, S. 78-85.

Die befreite Lippe

Auch nach dem Ende der Schifffahrt wurde die Lippe in Form gepresst. Massive Uferbefestigungen aus den 1950er bis 1970er Jahren haben dazu geführt, dass der einst breite und flache Fluss sich tief in den Untergrund eingegraben hat. Doch nicht nur der Flusslauf wurde durch Menschenhand verändert, die Lippe gehörte wie die Emscher zu den Flüssen im Ruhrgebiet, in die sämtliche Abwässer geleitet wurden.  Über Jahrzehnte waren diese Flüsse tot. Das änderte sich erst mit umfassenden Renaturierungsmaßnahmen.

Die Abwasserentsorgung in der Lippe sorgte für große Probleme, 1964 türmten sich Schaumberge am Stauwehr Lünen-BeckinghausenFoto: Stadtarchiv Lünen

Zunächst wurden die Abwässer in unterirdische Kanäle umgeleitet. Doch auch das Flussbett erhält eine neue Form und vor allem mehr Raum: Befestigungen werden zurückgebaut (sogenannte „Uferentfesselung“), der Fluss verbreitert, aber auch Auen geschaffen. Wie vor 200 Jahren soll die Lippe wieder durch das Land mäandern, dazu werden einstige Durchstiche rückgängig gemacht und neue Flussschleifen angelegt. Das Teilprojekt „Lippe-Renaturierung Lünen-Beckinghausen – Werne“ umfasst einen 11 km langen Teilbereich, der um 1,2km verlängert werden soll. Bereits 2011 wurde am Wehr Werne ein Fischaufstieg angelegt, um die Lippe für Fische und Wasserorganismen aller Art wieder durchgängig zu machen.

Heute hat die Lippe wieder mehr Platz.Foto: Klaus Mischke

Freizeitvergnügen

Die Lippe und ihre Nebenflüsse waren auch das Freibad und Ausflusgziel für die Anwohner. Das änderte sich freilich mit der Nutzung der Flüsse als Abwasserkanäle. Doch mit der Renaturierung treten genau diese Werte wieder in den Vordergrund: Die Lippelandschaft als Naherholungsgebiet. Der neu angelegte Auenpark gehört zu den beliebtesten Plätzen in Selm.

An verschiedenen Orten gab es früher – trotz der Gefahren – Freibäder wie hier an der Seseke.Quelle: Kreisarchiv Unna Bestand 101, Nr. 2777

Auch per Rad und per pedes kann die Lippe erlebt werden: Die Römer-Lippe-Route, der Lippeauenweg in Lünen und andere Touren laden dazu ein, Natur, Kultur und Industrie entlang des Flusses zu entdecken. Der Auenpark in Selm ist ein beliebtes Ausflugsziel für Kinder und Jugendliche. 

Auf dem Bürgerfest 2022 fragte VIRTEUM die Selmer:innen nach ihren Lieblingsorten und der Auenpark stand ganz oben auf der ListeIllustration Helge Windisch, Copyright VIRTEUM

Der Drohnenflug zeigt den Auenpark von oben (Video: Günther Goldstein)

Die Lippe als Nahrungsquelle

Auf der Karte sind die Fischereirechte verzeichnet – denn nicht jeder durfte sich am Fischreichtum der Lippe gütlich tun. Dieser musste enorm gewesen sein und führte immer wieder zu Streitigkeiten.

Manch ein großer Fisch hat es auch in die Chroniken der Städte an der Lippe geschafft: 1549 wurde ein Stör mit der stattlichen Länge von 2,40m gefangen. Davon wird auch im „Roten Buch“ der Stadt Lünen berichtet.Rotes Buch, Zeichnung Stör, Stadtarchiv Lünen, Foto: Günther Goldstein

1840 ging ein ähnlich prächtiges Exemplar in Olfen ins Netz. Er ist heute im LWL-Naturkundemuseum in Münster zu bewundern. Von dem sensationellen Fang berichtet die Chronik der Familie Tenkhoff:„Der Müller beobachtete, oberhalb der Mühle im Kolk ein Ungeheuer. Der Förster und die Brüder Tenkhoff wurden benachrichtigt. Sie packten die Netze zusammen und fuhren mit Pferd und Wagen in Richtung Mühle. Der Mühlenkolk wurde mit einem Zugnetz abgesperrt und es wurde langsam gezogen. Schließlich sah man das „Ungeheuer“ Wellen schlagen, aber aus dem Netz konnte es nicht mehr entweichen. Als in der Zwischenzeit sehr viele Leute zusammengeeilt warn, wollte ein Soldat dem Stör mit seinem Degen ein Ende machen. Der Soldat stieße zu, der Stör schlug um sich, so dass sich beide im Netz wieder fanden.“ (zitiert nach: Eggenstein, Georg: Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde, Bönen 2010, S. 21f.)

Quellen, Literatur und weiterführende Links

Eggenstein, Georg (Hg.): IMFLUSS Lippe: Kultur- und Naturgeschichte einer Flusslandschaft, Bönen 2015.

Vom Einbaum zur Aak

Im Laufe der Jahrhunderte fuhren ganz unterschiedliche Boote und sogar Schiffe auf der Lippe. Auf dem Fluss wurde gerudert, getreidelt, gesegelt und für kurze Zeit sogar Dampfschiffahrt betrieben.

In der Zeit der Römer kamen auch größere Schiffe wie Prahme und Patrouillenboote zum Einsatz. Auf den Patrouillenbooten fanden lediglich die Legionäre Platz, sie waren für den Warentransport ungeeignet. Dieses Patrouillenboot „Victoria“ wurde anlässlich des Jubiläums 2000 Jahre Varusschlacht gebaut.Foto: LWL/B.Kühlborn

Mit dem Abzug der Römer verschwanden auch deren große Transportschiffe und die Einbäume gewannen erneut an Bedeutung. Diese Boote waren schon in der Jungsteinzeit bekannt. Im Mittelalter wurden Einbäume vermutlich auch als Schwimmkörper in größeren Konstruktionen genutzt. Denkbar wären Fähren, für die zwei oder mehrere Einbäume über eine Bohlenabdeckung miteinander verbunden wurden. Dendrochronologische Untersuchungen datieren den Einbaum aus Werne nicht wie erwartet in vorchristliche Zeit, sondern in das ausgehende Frühmittelalter (zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts). Ältere Funde stammen aus Hünxe und Lippetal.

Lange Zeit blieb das Treideln mit Hilfe von Menschen und Pferden die wichtigste Antriebsart. Mit dem Ausbau der Lippe im 19. Jahrhundert konnte zumindest auf bestimmten Abschnitten des Flusses gesegelt werden. Die Dorstener Aak war das typische Frachtschiff auf der Lippe. Der extrem niedrige Tiefgang war auf der flachen Lippe besonders wichtig.

Ganz kurz fuhren auch Dampfschiffe auf der Lippe, doch war die Konkurrenz durch die Schiene schon zu groß. Die Lippe als Transportweg verlor ihre Bedeutung.

Heute sucht man Motorboote oder gar regen Schiffsverkehr vergebens auf der Lippe: Lediglich Paddeln ist erlaubt, und auch das ist im Sinne des Naturschutzes reglementiert. Auch Fähren finden sich, um Radfahrern und Wanderern das Queren des Flusses zu ermöglichen.Foto: Jochen Durchleuchter/EGLV
Eine Fähre über die Lippe.Foto: Andreas Fritsche/EGLV

Versteckte Schätze

An der Lippe wurde schon so manch überraschender Fund gemacht: Kostbarer Schmuck, Werkzeuge, die von weither kamen und sogar menschliche Knochen. Da stellt sich unweigerlich die Frage: Wie kommen diese Dinge in die Lippe? Grundsätzlich können Funde durch verschiedene menschliche Handlungen in die Flüsse gelangen: Abfall wird im Wasser entsorgt, Dinge werden durch Hochwasser fortgeschwemmt oder gehen verloren. Oder Gegenstände werden im Zuge kultischer Handlungen im oder am Fluss niederlegt. Nicht immer lassen sich die Ursachen nachvollziehen, kostbare Funde und Schädelfragmente deuten aber doch auf eine rituelle Handlung hin.

Ein Hammer im CT

Geweihhammer aus Lünen-LippolthausenFoto: LWL-Archäologie für Westfalen/Stefan Brentführer
Geweihhammer aus Lünen-LippolthausenFoto: LWL-Archäologie für Westfalen/Stefan Brentführer

Dieser Geweihhammer wurde in Lünen gefunden. Er ist ca. 5000 Jahre alt – vergleichbare Stücke gibt es nur wenige. Diese stammen aus dem östlichen Mitteleuropa und der Schweiz. Der Hammer aus Lünen hat also eine weite Reise hinter sich. Um die Herstellungsweise zu untersuchen, wurde der Hammer mit einem Computertomographen untersucht. Die Bilder zeigen eine Verarbeitung, die hohes Können erfordert: In die Hohlräume an den Enden wurden milimetergenau Geweihstücke eingepasst, um sie zu verschließen.

Ein Armreif als Opfergabe

Ring aus der jüngeren BronzezeitFoto: LWL-Archäologie für Westfalen/Andreas Müller

Auch Schmuck wurde in den Gewässern abgelegt, so wie dieser bronzene Armreif (Körnebach bei Kamen-Südkamen). Dieser Typ Armreif war hauptsächlich in der nordmitteleuropäischen Tiefebene verbreitet. Das Exemplar aus dem Körnebach zeigt keinerlei Kratzer oder andere Gebrauchsspuren – wurde er vielleicht nie getragen?

Statt Knöpfen und Reißverschluss

Spätbronzezeitliche Nadel, gefunden im KörnebachFoto: LWL-Archäologie für Westfalen/Andreas Müller

Manche Funde erzählen uns über Kleidung und Mode der Vergangenheit. Auch ohne Knöpfe und Reißverschluss mussten Mäntel verschlossen werden. Dazu dienten Gewandnadeln wie diese hier. Sie wurde am Körnebach niedergelegt.

Quellen, Literatur und weiterführende Links

Baales, Michael: Siedlungsreste des Neandertalers aus den Knochenkiesen von Lippe und Emscher, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde (Begleitband zur Ausstellung Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde), Bönen 2010, S.34-42.

Baales, Michael / Cichy, Eva: Neue Opferfunde des 2. Und 1. Jahrtausends vor Christus aus Körnebach und Seseke bei Kamen, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde (Begleitband zur Ausstellung Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde), Bönen 2010, S. 43-51.

Ein Menschenschädel an der Seseke, in: Archäologie online.

Die Lippe als Grenze

Als natürliches Hindernis eigneten sich Flüsse wunderbar als Grenzen. 

Im Mittelalter grenzten mehrere Territorien an die Lippe: Im Norden befand sich das Fürstbistum Münster, südlich der Lippe lagen das Vest Recklinghausen und das Herzogtum Westfalen. Diese politische Grenze verschwand im 19. Jahrhundert, als der Lippeverlauf komplett in preußische Herrschaft gelangte.

Was blieb, ist die Grenze zwischen zahlreichen Städten, aber auch eine Konfessionsgrenze: Mit der Reformation wurde das Herzogtum Westfalen protestantisch. Noch heute gehören die Stadtteile Lünens, Hamms und des Kreise Unnas, die nördlich der Lippe liegen, zum Bistum Münster, die südlich gelegenen Orte zum Erzbistum Paderborn. Die Lippe ist nach wie vor Grenze zwischen zahlreichen Städten.

Einige dieser Städte wurden ganz bewusst am Fluss gebaut, um diesen als Schutz zu nutzen.

Lünen: Eine Stadt mit vielen Grenzen

Lünen ist ein ganz besonderes Beispiel. Diese Stadt lag “im Wetterwinkel westfälischer Geschichte im Mittelalter” (Jürgen Kloosterhuis): 4 Territorien trafen hier aufeinander: Das Stift Münster, das Vest Recklinghausen (gehörte zum Erzbistum Köln), die Grafschaft Dortmund und die Grafschaft Mark.

Ursprünglich gehörten Festung und Stadt Lünen zur Bistum Münster, doch um 1300 gelangte der Graf von der Mark in deren Besitz. Es folgten über 200 Jahre dauernde Streitigkeiten zwischen den Grafen von der Mark und den Bischöfen zu Münster.

1575 gelangte dann die alte Stadt Lünen endgültig in märkischen Besitz. Zuvor hatten die Grafen von der Mark jedoch schon Tatsachen geschaffen: Bereits 1336-1340 siedelte Adolf III. von der Mark Lünen am südlichen Ufer der Lippe neu an. Diese Lage war aus militärischen Gesichtspunkten bedeutend sicherer. Einige Bürger blieben rund um die Marienkirche am nördlichen Ufer wohnen, in der “Altstadt”. Damit begrenzte die Lippe das Stadtgebiet nicht mehr, sondern floss mitten hindurch.

Stadt Lünen mit der Lippebrücke. Links der Lippe befindet sich die „Neustadt“, rechts die „Altstadt“ mit der MarienkircheAusschnitt aus der Karte mit der Grenze zwischen der Grafschaft Mark und dem Bistum Münster von 1578, LA NRW StA Münster A 7419

Die Umsiedelung hatte auch unerwartete Folgen: Der neue Standort war zwar militärisch sicherer, bot aber eine weitaus größere Gefahr bei Hochwasser – aber das ist eine andere Geschichte.

Quellen, Literatur und weiterführende Links

Frese, Werner: Auseinandersetzungen an der Lippe um Hoheit und Gebiet, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde (Begleitband zur Ausstellung Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde), Bönen 2010, S. 139-145.

Die Lippe als Hindernis

Die Lippe ist wie alle Flüsse auch eine natürliche Grenze. Heute ist diese Grenze angesichts der zahlreichen Brücken leicht zu überwinden, doch das war nicht immer so.

Zunächst konnten Flüsse nur an flachen Stellen, den sogenannten Furten, überquert werden. Mit Erfindung der Boote war es möglich, Fähren einzusetzen. Dann erst kamen die Brücken, z.B. an der Buddenburg (heute Lünen), sie ist auf der Karte auch sichtbar.

Wo eine Brücke war, entstand nicht selten eine Siedlung. Etwa dort, wo eine große Handelsstraße den Fluss quert. Kompliziert wurde es, wenn eine Brücke dort errichtet werden sollte, wo die Lippe zwei Territorien voneinander trennt. Denn wer ist dann für die Brücke zuständig? Wer baut sie und hält sie instand? Die Fürstbischöfe von Münster und Köln einigten sich 1444 darauf, dass der Fürstbischof von Münster sowohl in Haltern als auch an der Rauschenburg bei Olfen eine Brücke errichten und unterhalten müsse. 

Bis 1570 befand sich in Haltern übrigens eine Zugbrücke, die im Verteidigungsfall einfach hochgezogen wurde. Sie war aber auch wichtig, um die Durchfahrt größerer Schiffe zu gewährleisten. Erst 1890 wurde eine steinerne Brücke errichtet, nachdem die letzte Holzbrücke von einem Hochwasser weggeschwemmt worden war. Überhaupt waren die Holzbrücken unterschiedlichen Gefahren ausgesetzt und mussten oft ersetzt werden: Hochwasser und starker Eisgang waren die häufigsten Gründe, warum eine Holzbrücke zerstört wurde.

Stadtansicht Lünens. An der Brücke sind deutlich die Vorbauten erkennbar, die vor Eisschollen schützen solltenAusschnitt aus der Karte mit der Grenze zwischen der Grafschaft Mark und dem Bistum Münster von 1578, LA NRW StA Münster A 7419

Freie Fahrt für Schiffe

Konkurrierende Herrscher und verpasste Chancen

Immer wieder waren einzelne Herrscher bestrebt, die Lippe für eine größer angelegte Schifffahrt zu begradigen und umzubauen. Doch die Zersplitterung in viele kleine Territorien machte diese Ziele unerreichbar. Vor allem die preußischen Könige wollten die Lippe gerne ausbauen. Dahinter lagen wirtschaftliche Interessen, schließlich gehörte ihnen die äußerst ertragreiche Saline in Königsborn (heute Unna). Dort wurde so viel Salz gewonnen, dass es nicht nur für die Grafschaft Mark und das Herzogtum Kleve genügt hätte, es wäre sogar Salz für den Export geblieben. Doch die Salzschifffahrt blieb ein Traum, ebenso der Transport anderer Waren und Rohstoffe in großem Stil.

Die Saline Königsborn war so bedeutend, dass hier die erste Dampfmaschine („Feuermaschine“) in den preußischen Westprovinzen in Betrieb genommen wurde.

Endlich: Die Lippe wird ausgebaut

Erst im 19. Jahrhundert, als Westfalen und das Rheinland preußische Provinzen geworden waren, begann der Ausbau der Lippe als Wasserstraße. Nach Untersuchungen 1814 und 1816 bewilligte der König von Preußen den Lippeausbau und stellte gleichzeitig 218.000 Taler zu Verfügung.

Nun folgte ein massiver Eingriff in den Flusslauf: Sandbänke wurden entfernt und die Lippe begradigt. Mit der Umgestaltung des Ufers konnte die Fließgeschwindigkeit der Lippe erhöht werden. Das war vor allem dort notwendig, wo sie breit und flach war. An diesen Stellen wurde die Uferböschung abgetragen und mit dem Aushub das Flussbett verengt. Damit erhöhten sich die Wassertiefe und die Fließgeschwindigkeit. Schleusen ermöglichten schließlich die Umfahrung von Mühlen und Klippen. Ab 1826 war die Lippe von Lippstadt bis Wesel schiffbar. Weitere Schleusen ermöglichten ab 1831 die Schifffahrt bis kurz vor Paderborn. Nun konnten auch größere Schiffe wie die in Dorsten gebauten Aaken eingesetzt werden. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren auch Dampfboote im Einsatz. 1823 wurden die Schleusen in Dahl und Horst eröffnet, ein Jahr später nahmen die Schleusen in Beckinghausen und Werne den Betrieb auf.

Schleuse Horst vor 1977Stadtarchiv Selm, Bestand Heimatverein Bork, Arkte Schnieder, Nr. 44

1850 wurden die Schleusen in Beckinghausen, Werne und Stockum vergrößert, so dass auch Großsegler von Wesel bis Hamm fahren konnten. Zuvor war lediglich die Treidelschifffahrt [Beim Treideln wird ein Schiff mittels Leinen gezogen] möglich.

Jeder muss mitmachen

Auch die Anrainer der Lippe wurden in die Pflicht genommen, damit die Schiffe ungehindert passieren konnten: Sie mussten nicht nur Land für die Treidelpfade abtreten, sondern diese auch frei halten.  Diesbezüglich kam es immer wieder zu Konflikten: Die Holzhändler Cirkel werden in verschiedenen Akten erwähnt: 1836 zeigte der Leinreiter F. Seifers Constanz Cirkel an, da sein Pferd beim Treideln über ein Stück Holz, dass auf dem Leinpfad gelegen hatte, gefallen und gestorben war. Vincenz Cirkel wurde auch mehrfach ermahnt, Holz aus der Lippe zu holen, das den Schiffsverkehr gefährdete.

Oberpräsident Vincke ist begeistert

Zweimal jährlich befuhr der Oberpräsident der Provinz Westfalen, Ludwig Vincke, persönlich den Fluss. Vorab besichtigten Strombaubeamte die Lippe und erstellten Anweisungen für die Uferbesitzer, welche Arbeiten zu erledigen seien. Vincke war es auch gewesen, der 1816 die Pläne für den Ausbau vorangetrieben hatte. Am 25. September 1823 schrieb er in sein Tagebuch: „Abschied von der Lippe, die ich diesmal mit rechtem Vergnügen befahren. Meine Anstrengungen schon jetzt so schön lohnend, wie hat es sich da seit 1816, wo sie aus dem Nichts gerufen, verändert – welches Leben jetzt und schon herauf dringender Uferbaueifer.“ (zitiert nach: Hans-Joachim Behr (Bearb.): Die Tagebücher des Ludwig Freiherrn Vincke, Band 8, 1819-1924, Münster 2015, S. 45f.) Eigentlich waren die Bürgermeister angehalten, der Strombefahrung in ihrem Bezirk beizuwohnen. Der Borker Bürgermeister Köhler verpasste das Schiff jedoch 1824, weil er einen Tag zu spät am verabredeten Ort erschien. Dieses Versäumnis wurde ihm auch 1825 noch vorgehalten.

Immer mehr

Eine Zeit lang florierte die Schifffahrt: Holz, Getreide, Erz und Salz aus der Region an der Lippe wurden Richtung Rhein verschifft, im Gegenzug gelangten rheinische und holländische Waren nach Westfalen. 1820 wurden insgesamt 420.000 Zentner Fracht befördert, 12 Jahre später bereits 850.000 Zentner. Im Rekordjahr 1846 lag die Fracht sogar bei 1,6 Millionen Zentner. Generell lag die Menge zwischen 1836 und 1856 jährlich weit über einer Million Zentner.

Konkurrenz auf der Schiene

Ab 1847 tauchte mit der Köln-Mindener Eisenbahn eine Konkurrenz auf, der die Lippeschifffahrt nicht gewachsen war. Deren Unterhaltung war zu aufwändig und kostspielig, außerdem konnten per Zug bald schon größere Mengen transportiert werden als auf dem Fluss. Im 20. Jahrhundert wurden zudem südlich der Lippe der Wesel-Datteln-Kanal und der Datteln-Hamm-Kanal eingerichtet, die ab 1933 als wichtige Wasserstraßen für den Transport von Massengütern aus dem Kohlerevier fungierten. Ein weiterer Grund für den raschen Niedergang der Lippeschifffahrt war die zunehmende Versandung im Mündungsgebiet der Lippe in den Rhein.

Quellen, Literatur und weiterführende Links

Koppe, Werner: Zur Geschichte der Häfen und hafenähnlichen Anlagen an der Lippe. Ein-, Aus- und Umladeplätze in der Geschichte der Gütertransportschifffahrt, in: Jahrbuch Kreis Wesel 2001 (22), S. 53 – 64.

Koppe, Werner: Die Lippewasserstraße. Schiffahrt auf Lippe und Lippe-Seitenkanal im Rahmen der nordwestdeutschen Binnenschiffahrtsgeschichte (Schriften der Heresbach-Stiftung Kalkar Bd. 10), Bielefeld 2004.

Mühlen an der Lippe

Eine von zahlreichen Mühlen entlang der Lippe gehörte zu Haus Dahl. Mit den Mühlen begannen die ersten umfangreichen Eingriffe in den Flussverlauf: Wehre wurden angelegt und Wasser aufgestaut. Damit sollte auch bei Niedrigwasser der Mühlenbetrieb aufrechterhalten werden. Vor allem die Wehre boten viel Konfliktstoff: Sie beeinflussten die Wassermengen, was für Anrainer flussabwärts mitunter zum Problem werden konnte. Außerdem wurde immer wieder Material für Ausbesserungsarbeiten benötigt. Das führte zwischen den Herren von Dahl und den Anrainern der Dahler Heide zu einem jahrhundertelangen Streit darüber, wer wo in der Heide Torf stechen darf. Die Herren von Dahl nahmen es nämlich nicht allzu genau mit den Grenzen ihres Gebiets.

Neben den fest gebauten Mühlen wurden auch Ponton- oder Schiffsmühlen genutzt, die in die Mitte des Flusses gezogen wurden und vorbeifahrenden Schiffen bei Bedarf Platz machen konnten. In den Mühlen wurde nicht nur Getreide verarbeitet, auch Sägemühlen, Ölmühlen und Walkmühlen befanden sich an der Lippe. Wo immer es möglich war, nutzten die Menschen die Kraft des Wassers für ihre Arbeit.

Mühlrecht und Mahlzwang

Die Wassermühle Lippolthausen, die zu Haus Buddenburg gehörte.Foto: Sascha Grosser

Mühlen durften nicht von jedem errichtet werden. Für den Bau und den Betrieb benötigte man die entsprechenden Rechte. Zahlreiche Mühlen gehörten zum Kloster Cappenberg, so auch die Gedemberger Mühle (heute Stadt Werne). Gleichzeitig unterlagen die Bauern dem Mahlzwang: Sie durften sich nicht aussuchen, in welcher Mühle sie ihr Korn mahlen ließen. Alle Bauern, die zu Haus Buddenburg gehörten, mussten in der Wassermühle Lippolthausen ihr Getreide mahlen lassen.

Auf der Lippekarte sind übrigens zahlreiche Mühlen und Wehre eingezeichnet, schau doch mal, wie viele du finden kannst!

Quellen, Literatur und weiterführende Links

Fertig-Möller/Ruppert: Wehr, Mühle und Schleuse in Werne an der Lippe. Nutzungen an einem Flusspunkt im Zeitenlauf, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 1000 Jahre Freunde und Feinde, Bönen 2010, S. 146-152.

Kistner, Hans-Jürgen: Die Seseke und die Stadt Kamen, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 1000 Jahre Freunde und Feinde, Bönen 2010, S. 86-94.

Römer an der Lippe

Die Lippe war für den Vorstoß der Römer nach Germanien unerlässlich. Hier befinden sich in regelmäßigen Abständen Lager, Anlegestellen, aber auch Schiffshäuser für die Überwinterung und Reparatur der Boote.

Zwei Welten prallen aufeinander

Das wohl bedeutendste Lager wurde in Haltern angelegt, das nicht nur als Garnisonsstandort geplant wurde, sondern auch als Verwaltungszentrum der entstehenden Provinz Germanien. Hier waren Patrouillenboote stationiert, die u.a. die Lippeschifffahrt sicherten. Die Halterner Schiffshäuser sind neben denen im niederländischen Welsen die einzigen bekannten Beispiele für römische Schiffshäuser. Neben Trockendocks gehörten auch Winterschutzbauten zu der Anlage.

Ein Modell des römischen Hauptlagers in HalternFoto: LWL/S.Brentführer

Für die Germanen in der Region, die in kleinen Dörfern lebten, muss vor allem das Halterner Lager mit seinen Dimensionen unfassbar gewesen sein. 1000 Menschen lebten hier – den Legionären folgten ihre Familien, aber auch Handwerker ließen sich nieder. So musste beispielsweise die fragile Keramik nicht mehr über weite Strecken transportiert werden, sondern wurde direkt vor Ort gefertigt.

ZDF/Terra X/Gruppe 5/ Sabine Bier, Sahar Eslah, Cristina Trebbi/Martin Christ, Marc Riemer, Joachim C. Seck/ Claudia Spoden, Ramin Sabeti/Faber Courtial, Jörg Courtial/Gruppe 5 FX, xkopp creative

Kulturaustausch und Wissenstransfer

Römische Goldmünzen, gefunden in Hiddenhausen-Oetinghausen.Foto: LWL / Stefan Brentführer

Mit den Legionen lernten die Germanen zahlreiche neue Gegenstände, Lebensmittel und Techniken kennen: Die Handmühle beispielsweise, mit der es sehr viel einfacher war Mehl zu mahlen, aber auch die hochwertige Terra Sigillata [römische Gebrauchskeramik in der typischen roten Farbe]. Und was hatten die Germanen im Austausch zu bieten? Viel war es nicht, in der Landwirtschaft produzierten sie kaum nennenswerte Überschüsse für den Verkauf und auch ihre Metallarbeiten, Stoffe und grobe Keramik interessierte die Römer nicht. Umso begehrter waren Sklaven – und da sich die germanischen Stämme in der Regel eher feindlich gesonnen waren, war es ein leichtes, Mitglieder anderer Stämme gefangen zu nehmen und als Sklaven zu verkaufen.

Gekommen um zu bleiben?

Die Römer waren gekommen, um zu bleiben, das zeigen vor allem die imposanten Grabmale, die sie an der Ausfallstraße zum Lager in Haltern errichtet haben. Doch es sollte anders kommen: Nach der Varusschlacht, bei der 3 Legionen vernichtend geschlagen wurden, zogen sich die Römer auf die linke Rheinseite zurück. Die Lager an der Lippe wurden aufgelassen. Alles, was nicht mitgenommen werden konnte, wurde zerstört. So fanden sich in den Brunnen aus dem Römerlager in Anreppen zahlreiche Eisennägel. Auch jetzt spielt ein Fluss eine Rolle: Der Rhein ist zur Grenze zwischen dem Römischen Reich und dem germanischen Stammesgebiet geworden.

Quellen, Literatur und weiterführende Links

Jaschke, Kathrin: Die Lippe in römischer Zeit als Transportweg, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 1000 Jahre Freunde und Feinde, Bönen 2010, S. 63-65.

Filmreihe des LWL Medienzentrums:

Das Römerlager in Haltern am See (Rom in Westfalen 01):

Ein Tag als römischer Legionär (Rom in Westfalen 02):

Der römische Legionär und seine Ausrüstung (Rom in Westfalen 03):

Die Lippe als Transportweg

Schon in der Bronzezeit wurde die Lippe für den Transport verschiedener Waren und Rohstoffe genutzt. Schmuck, Werkzeuge, aber auch Rohstoffe fanden ihren Weg über die Lippe in die Region zwischen Ruhrgebiet und Münsterland.

Mit den Römern kam der erste Transportboom auf. Nach einer langen Phase der Ruhe nahm das Verkehrsaufkommen in der Neuzeit wieder Fahrt auf – und erreichte nach der Schiffbarmachung der Lippe seinen Höhepunkt.

Logistische Meisterleistung

In das Römerlager in Haltern wurden Lebensmittel aus Italien und Spanien transportiert, u.a. Olivenöl und Wein.Foto: LWL/S.Brentführer

Um 12 v. Chr. gewinnt die Lippe als Transportweg eine ganz neue Bedeutung: Die Römer nutzen den Fluss gezielt für ihre Kriegszüge in die Gebiete östlich des Rheins. Über die Lippe wurde alles transportiert, was für die Versorgung der Truppen notwendig war. Entlang der Lippe befanden sich wie an einer Perlenschnur aufgereiht verschiedene Lager und Landungsplätze. 

Das Güteraufkommen war enorm: Täglich erhielt jeder römische Legionär 1kg Weizen, dass er selbst zu Brei oder Brot verarbeitete. Rechnet man das auf die stationierten Legionen hoch, so lag der Bedarf an Getreide bei ca. 5 t – zzgl. dem Getreide für Hilfstruppen und die Tiere.

Neben dem so wichtigen Weizen zeugen auch die in den Lagern gefunden Güter von einem regen Warenverkehr: Weinfässer mit Wein aus Italien, Amphoren mit Fischsauce aus dem Mittelmeerraum und Olivenöl von der hispanischen Halbinsel, eingelegte Früchte und Oliven, Pfeffer aus Indien und andere exotische Gewürze, aber auch Tongeschirr, Öllämpchen (die nur funktionierten, wenn genügend Öl vorhanden war!), Leder für Zelte, Schild, Pferdegeschirr, Metalle und Textilien wurden über die Lippe transportiert.

Wichtige Knotenpunkte

Rekonstruktion des Krans, der im Haltener Hafen genutzt wurdeFoto: Christina Steuer

Nach dem Rückzug der Römer auf die westliche Rheinseite nahm das Transportwesen auf der Lippe wieder ab.

Erschwert wurde die Lippeschifffahrt durch die Beschaffenheit des Flusses, aber auch die Zerstückelung der Region in mehrere kleine Territorien. Dennoch blieb die Lippe eine wichtige Wasserstraße, für die Städte flussabwärts mehr als für die Städte nahe der Quelle. Wesel florierte besonders, hier mündete die Lippe in den Rhein. Aber auch Haltern hatte einen wichtigen Hafen mit Kran. Von dort aus ging der Transport weiter per Karren ins Münsterland.

Zolllisten aus Dorsten von 1462 zeugen ebenfalls von einer florierenden Schifffahrt, auch für 1526 liegen schriftliche Überlieferungen vor, die für Dorsten die Durchfahrt von 225 Fahrten auflistet.

Transportboom

Die Eisenhütte Westfalia in Lünen profitierte von der Lippe als TransportwegBild: Winni Rocholl: Eisenhütte Westfalia, 1927, Museum der Stadt Lünen

Erst im 19. Jahrhundert konnte die Lippe ausgebaut werden – denn jetzt gehörte die gesamte Region zu Preußen.

Es folgte bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhundert ein Transportboom: Kohle, Holz, Produkte aus den ansässigen Firmen (wie der Westfalia-Hütte in Lünen), Salz und Kaufmannsgüter fanden ihren Weg über die Lippe. In Lünen wurde Steinkohle aus dem Dortmunder Raum umgeschlagen, aber auch Raseneisenerz aus dem Lippstädter Raum für die Westfalia-Hütte gehandelt. Über Werne und Bork wurde Holz aus den umliegenden Wäldern in die Niederlande exportiert, wo es für den Schiffsbau verwendet wurde.

So wurden viele Tonnen Waren und Rohstoffe Lippe auf- und abwärts transportiert. Die meisten Güter wurden 1840 verschifft, insgesamt über 82.000 t. Dann setzte aber auch bald der Niedergang der Lippeschifffahrt ein, die mit der Konkurrenz durch die Eisenbahn nicht mithalten konnte. Gleichzeitig bot der Anschluss an das Kanalnetz weitaus günstigere Möglichkeiten für den Schifftransport.

Quellen, Literatur und weiterführende Links

Husmann, Greogor: Haltern und die Lippe, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 1000 Jahre Freunde und Feinde, Bönen 2010, S. 63-65127-138.

Jaschke, Kathrin: Die Lippe in römischer Zeit als Transportweg, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 1000 Jahre Freunde und Feinde, Bönen 2010, S. 63-65.

Koppe, Werner: Zur Geschichte der Häfen und hafenähnlichen Anlagen an der Lippe. Ein-, Aus- und Umladeplätze in der Geschichte der Gütertransportschifffahrt, in: Jahrbuch Kreis Wesel 2001 (22), S. 53 – 64.

Koppe, Werner: Die Lippewasserstraße. Schiffahrt auf Lippe und Lippe-Seitenkanal im Rahmen der nordwestdeutschen Binnenschifffahrtsgeschichte (Schriften der Heresbach-Stiftung Kalkar Bd. 10), Bielefeld 2004.

Lehnemann, Wingolf: Caspar Diedrich Wehrenbold und die Eisenhütte Westfalia, in: Eggenstein, Georg (Hg.): Mensch und Fluss. 1000 Jahre Freunde und Feinde, Bönen 2010, S. 153-160.