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Digitale Plattform für Geschichte(n) der Region an der Lippe zwischen Münsterland und Ruhrgebiet

MUNA

1938 nahmen die Nationalsozialisten nach etwa dreijähriger Bauzeit in Bork die Luftwaffen-Haupt-Munitionsanstalt, kurz Muna genannt, in Betrieb. Sie war eine der größten Laborierungs- und Lagerstätten von Munition für die Luftwaffe. Südlich der Produktionshallen erstreckten sich 100 Bunkeranlagen für bis zu 10.000 Tonnen Munition.

Die Muna bot etwa 1.600 Arbeitsplätze und war somit der größte Arbeitgeber in Bork. Nachdem alle wehrfähigen deutschen Arbeiter an die Front geschickt worden waren, setzten die Nazis Zwangsarbeiter aus Russland, Polen und der Ukraine ein. Viele von ihnen kamen bei einem Bombenangriff gegen Ende des Krieges ums Leben.

Heute befinden sich in den Gebäuden und auf dem Gelände der Muna das Landesamt für Aus- und Fortbildung der Polizei NRW (LAFP NRW) sowie ein Forschungszentrum zur Ladungssicherheit (LaSiSe). Die äußeren Bereiche mit den weitläufigen Flächen der gesprengten Bunker hat sich die Natur zurückerobert. Sie bilden im Kern das Naturschutzgebiet „Alstedder Mark“.

Die MUNA Foto:Heimatverein Bork/H. Meikötter

Anfänge der Muna 

Zwischen 1871 und 1945 wurden in Deutschland Munitionsanstalten errichtet, die meisten davon in der NS-Zeit. Meist wurden sie in ländlichen, waldreichen Gebieten erbaut, wo sie gut getarnt waren. Der Wald im Borker Sundern zwischen Bork und Altlünen wurde von Dr. Pohl von Poggenburg für den Bau einer neuen Luftwaffen-Haupt-Munitionsanstalt ausgewählt. 

Da die Verhandlungen mit den Waldbesitzern zu lange dauerten, wurden sie kurzerhand enteignet. 1935 begannen die Bauarbeiten, 1938 nahm die Muna Bork als die größte und wichtigste Produktionsstätte für die deutsche Luftwaffe ihren Betrieb auf. Die Einrichtung bedeutete nicht nur Aufträge für die heimische Wirtschaft, sie bot auch 1600 Beschäftigten Arbeit. Damit konnte auch die hohe Arbeitslosigkeit, die 1926 die Schließung der Zeche Hermann und die Weltwirtschaftskrise von 1929 ausgelöst hatten, kompensiert werden. 

Um Wohnraum für die Arbeiter zu schaffen, wurde eine Siedlung geplant, die nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs jedoch nicht gebaut wurde. Erst nach dem Krieg dienten die Planungen für die Errichtung der Siedlung „Schutzmannshausen“. 

Die Anlage 

Zur Anlage gehörten neben den Kasernengebäuden für die zur Bewachung eingesetzten SS, den Verwaltungsräumen sowie dem Kameradschaftsheim zwei Fertigungsanlagen. Diese wurden 

aufgrund ihrer Bauweise „Spinnen“ genannt: Es handelte sich um jeweils 5 Hallen, die mit Gängen verbunden waren und eine verwinkelte Kreuzform hatten. Hier wurden Flakmunition, Minen, Leuchtmunition und chemische Kampfstoffe hergestellt. An die Fertigungshallen schlossen sich 18 Lagerhallen an, in den Packhäusern wurde das Material für die interne Aufbereitung umgepackt bzw. die fertige Munition für den Versand verpackt. Auch eine Anlage mit 100 Bunkern gehörte zur Muna. Hier war Platz für 10.000 t Munition. 

Der dichte Baumbestand verdeckte die Anlage zu großen Teilen, die Gebäude wurden zusätzlich mit Netzen getarnt und eine Scheinanlage auf den Feldern zwischen Bork und Waltrop sollten feindliche Piloten zusätzlich in die Irre führen. Lange blieb die Muna in Bork unentdeckt, erst am 9. März 1945 erfolgte ein Luftangriff, der fast 80 Tote und über 100 Verletzte forderte. 

 

Fremdarbeiter

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die meisten Männer als Soldaten eingezogen. Die fehlenden Arbeitskräfte in der Muna versuchte man zunächst mit Frauen zu ersetzen, aber auch mit Soldaten, die aufgrund von Verwundungen nicht mehr frontfähig waren.  

Der Arbeitskräftemangel blieb jedoch ein Problem, so dass Fremdarbeiter eingesetzt wurden. In der Muna wurden hauptsächlich Fremdarbeiter aus Polen und der Sowjetunion eingesetzt.  

Von einigen dieser Arbeiter wissen wir etwas über Schicksal:

Pawel Iwanow kam im Alter von 17 Jahren nach Bork. Er berichtete, dass die deutschen Truppen zwar eine freiwillige Anwerbung veröffentlicht hatten, sich aber kaum jemand gemeldet hatte. Daraufhin wurden junge Leute gewaltsam nach Deutschland verschleppt.  Andere ehemalige Fremdarbeiter berichteten von Entbehrungen und Repressalien: Die Gebäude des Lagers waren mit Stacheldraht umgeben, die Arbeiter teilten sich mit 12 Personen ein Zimmer in den Baracken. Pro Woche stand ein Eimer Kohle zu Verfügung, es konnte also nur an einem Tag in der Woche geheizt werden. An Werktagen erhielten die Arbeiter zwei Mahlzeiten, an Ruhetagen nur eine.  

Grischa Hmilj gehört zu den Todesopfern im Lager. Ihn quälte der Hunger so sehr, dass er Kartoffeln aus der Speisebaracke stahl. Für diese Tat wurde er grausam erschlagen. 

Mindestens eine Fremdarbeiterin wurde zur Abtreibung gezwungen. Ob diese im Entbindungslager in Waltrop vorgenommen wurde, ist unklar. 

Mit der Eroberung Selms durch die alliierten Truppen wurden die Fremdarbeiter der Muna ebenso befreit wie andere Fremd- und Zwangsarbeiter in der Region. Zunächst wurden sie in Baracken vor dem Amtshaus untergebracht und es gab mehrfach auch gewaltsame Zusammenstöße mit den Selmer:innen, von denen die einst Gefangenen Essen und alles Lebensnotwendige forderten. Die meisten wurden schließlich in ihre Heimat zurückgebracht. In der Sowjetunion wurden viele von ihnen als „Vaterlandsverräter“ verhaftet und in sibirische Arbeitslager deportiert. 

Nach dem Krieg 

Bevor sie die Muna verließen, sprengten die deutschen Wachleute einen Großteil der Munition. Dabei ging es in erster Linie darum, sie nicht mehr nutzbar zu machen. Die unsachgemäße Sprengung führte dazu, dass Munitionsteile weit über das Gelände verstreut wurde – ein Problem, dass bis heute spürbar ist. Die Bunker wurden zwar gesprengt, jedoch stürzten nur die Deckplatten ein und begruben die gelagerte Munition unter sich. Das führte zweimal zu Verschmutzungen des Südfeldbaches und der angrenzenden Grünflächen: 1962 wurde bei Bauarbeiten kontaminierter Schlamm unsachgemäß abgelagert und gelangte in den Südfeldbach: mehrere Rinder verstarben, auf den angrenzenden Wiesen musste ein Streifen Erde abgetragen und der Bach gespült werden. Erst nach 9 Tagen konnte Entwarnung gegeben werden. 1974 gelangte Cyanid aus durchgerosteten Fässern in das Gewässer. Mehrere Tiere starben, aber auch die Vegetation am Südfeldbach wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. 

In mehreren Phasen wurde das Gebiet entmunitionisiert, dabei kam 1952 ein Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes ums Leben. Auch heute sind Teile des Geländes nicht begehbar, weil nach wie vor Munition im Boden lagern könnte.  

Nach Kriegsende nutzte die britische Besatzungsmacht die Muna einige Zeit als Munitionsdepot, bis sie schließlich in die Hände des Kreises Lüdinghausen gegeben wurden. 1951 übernahm die Bereitschaftspolizei einen Teil des Geländes. Bis heute nutzt die Polizei die Muna, seit 1996 als Ausbildungsstandort. Seit 2007 heißt die Institution Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW.  

Neben der Polizei nutzte auch die Bundeswehr über viele Jahre die ehemalige Muna. Im September 1961 wurde hier das Gerätehauptdepot für die 7. Panzerdivision und damit für alle Heerestruppenteile in NRW eingerichtet. Es galt als das größte und am besten organisierte Depot in der ganzen Bundesrepublik. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde die Bundeswehr umstrukturiert und das Depot 2008 geschlossen. 

Das Bestreben, auch Industrie auf dem Gelände anzusiedeln, scheiterte. Die wenigen Unternehmen, die sich in den 1950er Jahren angesiedelt hatten, schlossen bald wieder ihre Pforten. 

Seit 2013 befindet sich jedoch das Forschungs- und Technologiezentrum Ladungssicherheit Selm gGmbH auf einem Teil des Geländes.  

Was neben den genutzten Flächen bleibt, ist ein großes kontaminiertes Gelände, das sich die Natur zurückerobert. In ehemaligen Kratern, durch Detonationen gebildet, finden sich heute kleine Biotope, die seltenen Tieren und Pflanzen eine Heimat bieten.  

Quellen, Literatur und weiterführende Links

Niklowitz, Freddy: MUNA Bork. Luftwaffen-Haupt-Munitionsanstalt 1/VI Bork. ausegwählt – getarnt – unentdeckt, Lünen 2015.